Psychoanalyse und Film "Meine sehr verehrten Herren, meine Damen, lieber Sebastian Feldmann ich freue mich, daß Sie so zahlreich erschienen sind und hoffe, daß wir heute und an den anderen Abenden spannende und anregende Stunden miteinander verbringen werden. Diese Filmreihe ist eine Veranstaltung der Akademie für Psychoanalyse und Psychosomatik Düsseldorf, die mit der Heinrich-Heine-Universität zusammenarbeitet.
Eines ihrer Ziele ist, psychoanalytisches Denken auch anderen Menschen in der Gesellschaft zugänglich zu machen. Einige von uns - es sind genau die, die die ersten Filme vorstellen und diskutieren werden - gehen mit regelmäßigem Vergnügen schon seit Jahren mit Sebastian Feldmann am Wochenende ins Kino, um anschließend in der Kneipe über die Filme aus unterschiedlicher Sicht miteinander zu reden - auch aus psychoanalytischer. So dachten wir, diese Art ins Kino zu gehen könnte tatsächlich auch hier in Düsseldorf einen größeren Kreis von Menschen interessieren. Nun zu "Psychoanalyse und Film". Man kann sagen, das Verhältnis des Films zur Psychoanalyse war im Verlauf der Geschichte bis vor kurzem ungleich entspannter als das der Psychoanalyse zum Film. Viele Filmemacher benutzten ungeniert psychoanalytisches Denken, manchmal so extrem, daß es z.B. Karlheinz Böhm 1959 seine internationale Karriere kostete, als er in dem Film "Peeping Tom" mit spielte. Anders nun verhielt sich die Psychoanalyse dem Film gegenüber: 1925 erregte ein Telegramm Sigmund Freuds an Samuel Goldwyn großes Aufsehen, indem er 100 000 Dollar ablehnte, für die er an der Verfilmung von Szenen aus den berühmtesten Liebesgeschichten aller Zeiten mitwirken sollte. Die Sensation dieser Ablehnung war in New York damals größer als das Erscheinen seiner "Traumdeutung". 1926 wollte Freud auch nicht an dem UFA-Film "Geheimnisse einer Seele" mitarbeiten, den Georg Wilhelm Pabst drehte und den die Psychoanalytiker Hanns Sachs und Karl Abraham betreuten. Der Film, in dem es um eine Zwangsneurose geht, wurde im selben Jahr im Berliner Gloriapalast aufgeführt. Kurz vorher äußerte sich Freud seinem Schüler Ferenczy gegenüber: "Der Film läßt sich sowenig vermeiden, wie der Bubikopf. Aber ich lasse mir selbst keinen schneiden und will auch mit keinem Film in persönliche Verbindung gebracht werden." Er hielt das Medium Film also für eine modische Erscheinung. Doch im Unterschied zu Freud hat der Film einige Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker der ersten Stunde durchaus fasziniert. Hanns Sachs sah im Film eine Art psychologische Zeitlupe, er zeige uns Dinge deutlich und nachweisbar, die im Leben ebenso sind, aber sich dort unserer groben Betrachtung entziehen. Lou Andrea Salome erwägt sogar, "ob nicht die Rücksicht auf unsere seelische Konstitution die Zukunft des Filmtheaters bedeuten könnte." Will sagen, ob nicht der Film manche Seelenfragen beantworten helfen kann, weil er das Seelenleben des Menschen respektiert und die Menschen daher ins Kino treibt. So jedenfalls geht ein gegenwärtiger Trend in den USA und England in diese Richtung. Dort schreiben Therapeuten dem Medium Film eine ganz spezielle Wirkung zu: "Filme stellen Dr. med. Claudia Sies Artikel zum Download von der Homepage Rollenmodelle zur Verfügung, sie spenden Inspiration und bieten neue Lösungen für alte Probleme." Nur ein Beispiel: Der Film "Und täglich grüßt das Murmeltier wird
Klienten empfohlen, die selbstbezogen sind, andere manipulieren und deren Beziehungen einseitig und oberflächlich sind." Focus 16/2000.
Um die Ansichten über die Wirkung des Films auf die Gesundheit brauchen wir uns hier an dieser Stelle nicht zu sehr zu kümmern, da die Meinungen von Forschern auf diesem Gebiet schwanken zwischen: der Film kann Neurosen hervorrufen und: das Kino bestätige nur schon vorhandene Tendenzen. Sollte das Thema aber einige von Ihnen sehr interessieren, können wir es bei nächster Gelegenheit auch vertiefen.
Wir selbst verfolgen zunächst keinerlei therapeutische Absichten mit dieser Reihe - selbst falls sich dies nicht ganz vermeiden ließe. Wir interessieren uns hier für das komplexe Zusammenspiel zwischen Film und Zuschauer - besonders in der anschließenden Diskussion.
Eigentlich wollen wir hier mit Ihnen zusammen etwas vertiefen, ergänzen und miteinander diskutieren, das die meisten von Ihnen selbst schon vermuten oder wissen. Denn inzwischen nimmt jeder von uns mehr oder weniger an, daß es noch mehr an uns gibt als das, was wir und bewußt denken, wollen und wünschen. Daß es da einen Bereich in uns gibt, der uns auf seltsame Weise trägt, uns aber auch ungewollt in unserem Leben dazwischenfunkt, der uns träumen läßt oder gar unsere Berufs - oder Partnerwahl wie von unsichtbarer Hand beeinflußt. In diesem unbewußten Bereich sind alle vergangenen Beziehungsepisoden und - katastrophen zu Hause, die wir erlebt und die wir vergessen oder verdrängt haben. Diese
unbewußten Beziehungsmuster sind ein wichtiger Bestandteil unserer Persönlichkeit und sind mit verantwortlich für unsere unverwechselbare Eigenart. Für uns hier in dieser Runde würde das heißen, wenn wir Ihnen jetzt Funny bones vorführen, sieht jeder seinen eigenen Film und hat jeder seine eigene Interpretation auf Grund der unterschiedlichen Filter. Das führt auch dazu, daß vom gleichen Film verschiedene Menschen ganz unterschiedlich berührt werden. Und wenn man hinterher über einen Film spricht, dann war für jeden etwas anderes wichtig oder er hat sich andere Szenen gemerkt. Der eine war von der gleichen Szene angerührt, der andere peinlich berührt, ein Dritter hatte sie glatt vergessen - schon nach einer
Stunde. Direkt nach dem Film - vor unseren Interpretationen des Films - möchten wir eine kleine 10-Minutenpause machen, in der sie etwas Abstand von den bewegenden Szenen gewinnen können, sich aber bitte für sich selbst in ein, zwei Sätzen klarmachen, was Sie denken, worum es in diesem Film ging. Sollten Sie sich mit Ihrem Nachbarn austauschen wollen, dann könnten Sie beobachten, wie es einige Zeit dauert, bis Sie auf einen gemeinsamen Nenner kommen oder Sie werden sich vielleicht sogar gar nicht darüber einigen können. Wir Frau West-Leuer und ich werden daher im Anschluß in diesem Sinne vorgehen und zeigen, wie wir beide den Film ganz unabhängig voneinander interpretiert haben. Und jede wird ihre Sichtweise vortragen und wir werden sie nebeneinander stellen. Nicht zuletzt, um den Stil für die nachfolgende Diskussion anzuregen. Es ist uns
wichtig, daß jede Sichtweise ihre Berechtigung hat und alle nebeneinander Platz haben. Richtig und falsch sollten keine Kategorien für uns sein sondern alle Diskussionsbeiträge helfen, ein Ganzes zu schaffen. Je größer die Vielfalt desto besser. Wenn nur einer Recht hätte und für alle wüßte wie der Filmhase läuft ginge diese Vielfalt verloren. " Die Akademie für Psychoanalyse und Psychosomatik Düsseldorf e.V. zeigt seit Februar 2001 in etwa vierwöchentlichen Abständen in der "BLACK BOX" , Schulstr.4, 40213 Düsseldorf, Freitags zur Diskussion anregende Filme, die jeweils von
Sebastian Feldmann (Rheinische Post) kurz eingeführt werden. Der Film wird nach der Vorführung unter psychoanalytischen Gesichtspunkten mit einem kurzen Vortrag kommentiert. Anschließend ist das Publikum zur Debatte eingeladen. Es werden sowohl Filme mit psychologischer bzw. psychoanalytischer Thematik als auch solche mit allgemein menschlicher oder gesellschaftlicher Problematik, die zur Interpretation und Auseinandersetzung einladen, ausgewählt. Kartenbestellung unter 0211-8992490 Reservierung wird empfohlen. Psychoanalyse & Film Programm